Customer Obsession ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung

Wenn es bei meinen Kunden um Kundenorientierung oder- zentrierung geht, erwähne ich gerne Jeff Bezos‘ Prinzipien. Er hat Amazon zur „Customer Obsession“ verpflichtet – anstelle von „Competitor Obsession“. Es geht ihm nicht darum, die Wettbewerber zu beobachten, sondern sich konsequent daran auszurichten, was dem Kunden nutzt oder ihm sein Leben bequemer macht.

Übrigens etwas, das mir auch persönlich als Orientierung in meiner Beraterpraxis hilft. Denn wenn ich als Selbstständiger immer nur darauf achte, was andere machen und welche neuen Trends und Methoden sie umsetzen, welche Initiativen sie starten, beschleicht mich schnell das Gefühl, dabei nicht mehr mitzukommen. Wenn ich mich allerdings auf meine (potenziellen) Kunden fokussiere und das Gespräch mit ihnen suche, dann kann ich klar erkennen, welche Unterstützung wirklich gebraucht wird und kann mich darauf ausrichten. Die neuen Trends, die der Wettbewerb gerade ausgerufen hat, werden dann nebensächlich.

Parallelen in der Lean-Welt

Eine interessante Parallele zu Bezos’ Customer Obsession findet sich übrigens in der Lean-Welt. Dort ist es Toyota, die sich zum Ziel gesetzt haben, die qualitativ besten Autos zu bauen, also auch eine indirekte Obsession, eine „Besessenheit“ im Sinne des Kunden. Dagegen steht das Beispiel VW, die der größte Autobauer der Welt werden wollten, also eine klare „Besessenheit“ und ein Fokussieren auf den Wettbewerb – noch vor dem Kunden.

Augenfällig ist dabei, dass eine konsequente Customer Obsession fast zwangsläufig zum Erfolg führt und dass dieser Erfolg dann einen sehr kontinuierlichen Verlauf nimmt, wenn die Customer Obsession zur DNA des Unternehmens geworden ist.

Gratis-Leistungen als Kundenorientierung

Seltsamerweise wird „etwas für den Kunden tun“ sehr oft damit gleich gesetzt, dem Kunden eine (zusätzliche) Leistung umsonst anzubieten. Das führt dann beim Amazon-Beispiel zu Einwänden wie: „Aber Amazon will doch auch Geld verdienen!“ Selbstverständlich. Nur der andere Teil der Wahrheit wird nicht ausgesprochen: Der Kunde – und da nehme ich mich nicht aus –  ist bereit, dafür zu bezahlen, wenn ihm ein Unternehmen einen Nutzen, einen Mehrwert bietet oder ihm lästige Dinge abnimmt, das Leben ganz einfach bequemer und leichter macht. Als Endkunde profitiere ich mit Amazon Prime von schnellen Lieferungen und Zusatzangeboten wie Video und Musik. Als Händler von der perfekten Abwicklung und Logistik. Als Autor vom einfachen Veröffentlichen eines eBooks. Und für all das sind wir bereit, zusätzlich  zu bezahlen, weil es uns hilft und höchst relevant ist für uns.

Kekse und Kaffee als Service Exzellenz

Eine ähnliche Tendenz erlebe ich, wenn über „Service Exzellenz“ gesprochen wird. Dann geht es um Freundlichkeit, um „Kekse und Kaffee“ und vielleicht auch mal um eine „stupide“ Erreichbarkeit – allerdings ohne in den weiteren Prozessen zu denken. Am Ende werden all diese Dinge keine Rolle dabei spielen, ob ich den Service als exzellent empfunden habe. Freundlichkeit ist schön, aber im Grunde selbstverständlich. Ich möchte mein Anliegen professionell und zuverlässig gelöst haben. Ein Kaffee ist nett. Aber deswegen bin ich doch nicht hergekommen.

Konsequente Kundenorientierung erzwingt Veränderung

Doch wenn wir uns konsequent und obsessiv an unseren Kunden und ihren Bedürfnissen orientieren, dann kommen wir ganz schnell zu den internen Prozessen, sprich zu Veränderungen, die eben nicht an der Oberfläche bleiben, sondern möglicherweise sogar an das Selbstverständnis unserer Leistungserbringung gehen. Dann sind wir bei der (Neu-)Gestaltung unseres Serviceangebots, beim Service Design.

Methoden wie ein Service Blueprint bringen dabei alle Beteiligten eines Unternehmens ins Spiel – Front Stage und Back Stage. Sofern Service Design nicht bei der Konzeption und dem Prototyping aufhört, sondern bist zur Implementierung zu Ende gebracht wird. Das bedeutet Veränderung. Und Risiko. Den Mut zu Entscheidungen … und zu Korrekturen aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse im iterativen Vorgehen.

Dagegen stehen die Chancen, sich vom Wettbewerb zu differenzieren, ohne dass wir uns an ihm ausrichten. Sondern alleine durch die obsessive Fokussierung auf den Kunden!