Die Orientierung am Kunden, am Nutzer oder am Menschen – je nachdem, welche Perspektive wir einnehmen wollen – steht zurzeit hoch im Kurs. Methoden wie Design Thinking, Service Design, Customer Experience Design u.v.m. liegen im Trend und haben großen Zulauf.
Dahinter steht die Erkenntnis, dass Kundenerlebnisse immer wichtiger werden. Nicht nur als Beiwerk, sondern als Differenzierungsmerkmal für Unternehmen und damit als knallharter Wettbewerbsfaktor.
Dies braucht uns nicht zu verwundern. Denn schließlich leben wir in einer Welt, in der service-dominierte Geschäftsmodelle und Plattformen einen immer größeren Stellenwert einnehmen. In der also nicht mehr der Kauf und Besitz eines Produktes für den Kunden entscheidend sind, sondern der Wert für den Kunden erst durch die Nutzung entsteht. Und diese Nutzung soll ein eindrückliches und – im Idealfall – begeisterndes Erlebnis sein.
Die „Reise des Kunden“
So gestalten wir eine „Customer Journey“ – immer mit dem Kunden im Blick. Wir entwickeln einen Spannungsbogen im Kundenerlebnis und konzipieren die Details an den Touchpoints, den Punkten, an denen der Kunde mit unserem Unternehmen in Berührung kommen soll. Ein „Service Blueprint“, eine Blaupause für das neue Service-Angebot, zeigt auf, was für die Realisierung dieser Kundenreise notwendig ist. Welche Mitarbeiter und welche Systeme zur Verfügung stehen und zusammenspielen müssen, um das Kundenerlebnis zu kreieren. Im für den Kunden sichtbaren Bereich, wie bei der Bedienung im Restaurant, und „backstage“ im unsichtbaren Bereich, wie beim Koch in der Küche. Die Gestaltung des Serviceangebots alleine macht allerdings noch keinen guten Service. Die Implementierung ist meist nicht so „fancy“, sondern mühsame Projektarbeit inklusive der notwendigen Veränderungsprozesse. Denn nicht nur Systeme müssen implementiert werden, auch die Mitarbeiter müssen befähigt werden, das herausragende Kundenerlebnis möglich zu machen.
Die vergessenen Anforderungen der Digitalisierung
Wenn wir über die Anforderungen der Digitalisierung sprechen – und um nichts anderes geht es hier im Grunde, denn die veränderte Technik ist nur der „Träger“ für die jetzt möglich gewordenen Serviceangebote für unsere Kunden – dann sprechen wir meist schnell davon, welche Fähigkeiten, Mitarbeiter und Teams es braucht, um solche Services zu gestalten. Um zunächst die Kundenbedürfnisse zu ermitteln und dann auf deren Basis iterativ mit den passenden Methoden und Werkzeugen die Angebote zu designen. Doch dabei übersehen wir schnell, dass es für diese neue „Kundenreise“ auch die passenden „Reisebegleiter“ braucht. Je mehr Kontaktpunkte digital abgebildet werden, desto wichtiger werden die persönlichen Kontaktpunkte. Desto wichtiger wird der Mensch, der hier dem Kunden ein besonderes Erlebnis bescheren soll.
Weiterbildung als Mehrwert für den Kunden
Also muss es auch beim Weiterbildungs- oder sagen wir vielleicht besser Mitarbeiterentwicklungsbedarf um den Nutzen, den Mehrwert gehen, den wir dem Kunden liefern wollen und müssen. Der wichtigste Beteiligte der Weiterbildung wäre demnach konsequenterweise der Kunde. Denn er ist der Auslöser und er ist letztendlich auch derjenige, der dadurch, dass er unsere Leistungen in Anspruch nimmt, sie schätzt und vergütet, die Weiterbildung überhaupt erst ermöglicht.
Neue Anforderungen und verborgene Talente
Nachdem sich durch diese Entwicklungen – die Digitalisierung und das, was durch sie möglich wird – alles grundlegend wandelt, werden neue Fähigkeiten nötig, die bislang nicht gefragt waren. Möglicherweise haben wir sie noch nicht einmal als Fähigkeiten für das berufliche Umfeld wahrgenommen. Empathie zum Beispiel als Talent, das ich dafür einsetzen kann, dem Kunden zuzuhören, mich in ihn hineinzuversetzen. Beste Gelegenheit also, sich vor dem Start der nächsten großen Qualifizierungswelle Gedanken zu machen, welche Stärken denn jetzt (neu) bei unseren Mitarbeitern benötigt werden. Und ausfindig zu machen, wo diese Stärken möglicherweise im Unternehmen schon vorhanden sind, als verborgene Talente oder sogar als nicht genutztes Potenzial am „falschen“ Ort.
Kundenzentrierte Mitarbeiterentwicklung
Wie könnten wir dabei vorgehen? Ausgehend von den identifizierten Kundenbedürfnissen Kundenerwartungen sollten wir neue Anforderungen an unsere Mitarbeiter entwickeln und diese dann mit ihrem Stärkenprofil abgleichen. So zeigt sich, was gebraucht wird und wer die besten Voraussetzungen mitbringt für ein optimaleres Kundenerlebnis Stärken weiterzuentwickeln statt Defizite zu bekämpfen. In der Folge bleibt es abzuwarten, wie weit wir damit kommen und wie viele Arbeitsplätze tatsächlich betroffen sind. Oder ob sich wirklich neue Chancen und Potenziale auftun. Denn dieses gesamte Szenario ist zu komplex, als dass wir es schon von vorneherein überschauen und ganz durchdringen könnten. Also gilt auch hier wie bei allen Methoden, die mit der VUCA-Welt auskommen wollen: mit einem „First Draft“ starten und in kurzen Lernzyklen möglichst schnell dazulernen und adaptieren. Auch das übrigens eine Stärke, die bislang noch nicht so häufig gefragt war und jetzt eine zentrale Rolle einnehmen wird.
Diese Gedanken entstanden im Workshop „Online, Offline oder Blended!“, von Dana Arzani am 4. Mai 2018 im Innovationslabor JOSEPHS veranstaltet. Dabei moderierte ich als Mit-Gastgeber die Frage „Was soll/muss Weiterbildung den Beteiligten bringen? Wessen Verantwortung ist es?“.
Vielen Dank für die inspirierenden Diskussionen!
Bilder: ANGELIKA SALOMON FOTOGRAFIE