„Wenn du kaum Zeit und Budget für dein Service Design Vorhaben hast, dann lass alles weg – bis auf den Research!“
Wohl wissend, dass ein gelungener Research die Kraft und das Potenzial hat, alle weiteren Schritte auf den Weg zu bringen, ist das der Rat der Service-Design-Essential-Coaches unseres jährlichen Service Design Summits. Denn ein gelungener Research inspiriert und motiviert die Menschen und überträgt die daraus entstehende Energie ins Projekt. Ein Grund mehr, ihn nicht an Dritte zu delegieren.
Wenn wir im Erforschen also offen waren für Neues, wenn wir uns von unseren schon vorgefertigten Lösungsideen nicht haben verleiten lassen, dann ist uns der Research wirklich gelungen, dann sind wir Menschen tatsächlich auf Augenhöhe begegnet.
Strategic Thinking as Seeing
Bei unseren Service Design Drinks Nürnberg am 18. April 2019 haben wir vorgestellt, wie sich eine solche Haltung auch in einem Strategieprozess umsetzen lässt. Henry Mintzberg, der kanadische Management-Vordenker, hat es prägnant formuliert als „Strategic thinking as seeing“.
Dieses „Seeing entspricht dem Research im Service Design.
Dem Hinsehen, wie die Welt ist – in allen Richtungen. Was die Menschen bewegt. Welche Probleme sie zu lösen haben. Und wohin sie sich entwickeln wollen.
Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse sind genau die, die sich von Menschen auf Organisationen übertragen lassen. Der klassische Berater als Lösungsbringer hat damit ausgedient, er wird stattdessen zum Augenöffner, Befähiger und Begleiter von Unternehmen bzw. von deren Führungskräften und Mitarbeitern.
Unterschiedliche Methoden, unterschiedliche Begriffe
Im Service Design und Design Thinking nennen wir diese Erkenntnisse zumeist „Customer Needs“ und „Insights“. Die Value Proposition Canvas von Osterwalder spricht von „Gains“ und „Pains“, die unseren Kunden oder Nutzer antreiben bzw. quälen. Beim Jobs-to-be-done-Ansatz sind es die Aufgaben, die ein Kunde oder besser gesagt ein Mensch erledigen will. Unterschieden in Do-Goals und Be-Goals. Wobei die Be-Goals die eigentlichen Treiber sind. Im Grunde ist es aber immer dieselbe Frage, die alle umtreibt: Wie kann ein jeder seine Ziele erreichen, ein besseres Leben führen, ein besserer Mensch sein? Und was das genau bedeutet, das erfahren wir nur, wenn wir uns mit diesem Menschen beschäftigen. Wenn wir hinsehen (seeing) und wenn wir erforschen (research).
Wenn wir uns einmal von Begriffen und einer dogmatischen Sicht auf einzelne Methoden lösen, dann erkennen wir auch das Verbindende und sind daraufhin in der Lage, jenseits von Etiketten mit diesem gemeinsamen Verständnis zusammenzuarbeiten.
Ein anderer Blick auf die Welt
Wir sind derselbe Mensch, egal ob privat oder beruflich. Und das können wir nutzen, um ein „Research Mindset“ in beiden Bereichen unseres Lebens umzusetzen. Offenheit, Neugier und Empathie lassen sich nicht ein- und ausschalten, davon bin ich überzeugt. Je mehr wir diese Haltung also im beruflichen Umfeld etablieren können, desto mehr wird dies auch unsere Sicht auf die Welt und unseren Umgang mit anderen, mit Minderheiten, oder ganz banal mit denen, die anders denken als wir, prägen. Umgekehrt kann ich Service Design quasi für mich im Alltag üben. In jedem Gespräch, in allem, was mir persönlich begegnet. Habe ich darauf immer schon eine Antwort, eine Lösung? Weiß ich es sowieso besser? Oder interessiert es mich zu sehen, zu hören und zu verstehen, was die Motive der anderen sind, worum es ihnen wirklich geht? Das ist natürlich anstrengend in unserer komplexen Welt und es bleibt trotzdem die einzig richtige Antwort, die wir denen geben können, die lautstark nach den einfachen Lösungen rufen.
Beim Sparkle Lab zum Thema Megatrends gab Dana Arzani uns den Denkanstoß „Wo oder wie kannst du selbst Trends setzen?“ Was für mich letztlich nichts anderes bedeutete als: „Wo kannst du selbst die Welt ein kleines Stück weit verändern?“ Die Haltung, die wir für Service Design unbedingt brauchen, kann solch ein kleines Stück sein in allem, was wir tun.
Research als Achtsamkeit?
Auch wenn der Begriff „Achtsamkeit“ inzwischen eine inflationäre Verwendung gefunden hat und damit so unscharf geworden ist, dass ich – überspitzt gesagt – auch sehr achtsam meine eigenen egoistischen und selbstbezogenen Interessen durchsetzen könnte, findet sich für mich hier eine inspirierende Verbindung. Achtsamkeit im Sinne des Zen, das Anschauen der Dinge ohne Interpretation, ohne Wertung, das Wahrnehmen, was ist, hat für mich erstaunliche Parallelen zum Research bzw. der geeigneten Haltung für den Research.
Bei diesem Hinsehen sollte es aber für uns nicht bleiben. Deshalb nennen wir es schließlich Design: das Gestalten der Welt. Für Kunden, für Organisationen, für uns.