Zuerst wollen wir es nicht wahrhaben, dann suchen wir nach Dingen, die uns irgendwie über die Runden kommen lassen, und erst wenn wir die Veränderung akzeptiert haben, sind wir in der Lage, uns an die Gestaltung des Neuen zu machen und wieder das Ruder in die Hand zu nehmen für den nächsten Kurs – Krisenbewältigung verläuft in Phasen.
Das verhält sich bei Corona nicht anders als bei persönlichen Krisen wie beispielsweise einer Trennung. Nur dass wir bei einer Pandemie besser nicht exzessiven Sport oder Alkohol wählen, sondern lieber Soforthilfen und Notkredite.
Inzwischen sprechen wir von „Restart“ und von „The New Normal“. Höchste Zeit also zu überlegen, wo wir mit unserem Unternehmen stehen und wie wir uns in dieser neuen Situation denn nun wirklich positionieren wollen und können.
Aus eigener Erfahrung
Und da geht es uns Beratern nicht anders als Ihnen. Zwar schießen jetzt überall Online-Workshops und Seminare aus dem Boden und jeder ist auf einmal Remote-Experte. Doch gerade, wenn man sich Kundenzentrierung und Agilität auf die Fahnen geschrieben hat, dann grenzt das an Peinlichkeit. Denn die Antwort auf die neuen veränderten Gegebenheiten können doch nicht die Rezepte von gestern sein. Angeboten lediglich in anderer Form. Bei Prozessen sagen wir: ein Sch…prozess, der digitalisiert wird, wird zum digitalisierten Sch…prozess. So müssen wir auch kritisch mit unseren Angeboten umgehen. Denn Angebote, die gerade keinen Mehrwert bieten, werden durch die digitalisierte Form auch nicht besser.
Wie sieht das jetzt für Ihr Unternehmen aus?
Optimistisch ausgedrückt stecken wir mitten in einem großen „Change“. Und ein Blick auf die typische Veränderungskurve zeigt: In der ein oder anderen Form werden wir alle diese Schritte durchlaufen, möglicherweise stehen wir aber gerade an unterschiedlichen Stellen. Nach der Hoffnung, dass es bei uns schon nicht so schlimm werden wird, kamen Frust und die Niedergeschlagenheit, verbunden möglicherweise mit wildem Aktionismus und einer Videokonferenz nach der anderen. Dazu die Notmaßnahmen, um erst einmal über die Runden zu kommen: Soforthilfen, Kurzarbeit organisieren und womöglich einen Kredit beantragen.
Der entscheidende Schritt aber ist die Akzeptanz. Keine Energie mehr ins Hadern und all die Konjunktiv-Formen stecken. Sondern stattdessen der gezielte Blick auf die dauerhaft veränderte Realität – mein persönlicher Wendepunkt. Nachdem ich mir klar gemacht hatte, wie die nächsten zwei bis drei Monate finanziell aussehen werden, konnte ich nach vorne sehen. Ich musste nicht mehr sofort irgendetwas anstoßen, sondern konnte mir in Ruhe überlegen, wie der „Restart“ aussehen kann.
Und dass das kein simpler „Restart“ werden würde, ist wohl jedem inzwischen klar. Denn es wird nicht einfach so weitergehen wie vorher. Aber es ist auch nicht auf einmal alles neu, alles anders. Die Mischung wird entscheidend sein. Auf der einen Seite das, was wir neu hinzugelernt haben, wie z.B. das Remote-Arbeiten, und auf der anderen Seite das, was wir inzwischen umso mehr schätzen, weil es sich auch in der Krise bewährt hat, wie schnelle Entscheidungen und Flexibilität.
Beides wird uns jetzt zugutekommen. Und der Aspekt, dass wir auf vieles nicht vorbereitet waren, auf das wir längst hätten vorbereitet sein sollen, dass vieles möglich ist, was uns bisher unmöglich schien – diese Erkenntnis bringt uns weiter. Aber was kommt jetzt, was muss jetzt kommen?
Corona ist unsere Lupe: Strategie und Defizite werden jetzt deutlich sichtbar
Wenn wir wieder ruhiger sind, klarer denken können, ist es Zeit für Strategie: Was passt noch, was gilt es neu auszurichten? Wo waren wir zu breit aufgestellt, welche „Liebhabereien“ an Angeboten und Prozessabläufen haben wir uns geleistet, obwohl sie nichts zum Ergebnis beigetragen haben. Was haben wir mit uns herumgeschleppt, das uns blockiert hat, das Verschwendung war? Für mich bedeutete dies einen konsequenten Check aller regelmäßigen Ausgaben, Softwarelizenzen, Abonnements, Verträge usw. Also die kleinen Dinge auf der Mikro-Ebene. Das muss man einfach nur tun und hätte es längst tun sollen. Die Krise lässt einen lediglich schneller entscheiden.
Im nächsten Schritt die einzelnen Geschäftsfelder: Was bringt wirklich Ergebnis? Aber auch: Was macht wirklich Spaß, wo bin ich mit Energie dabei, auch und gerade, wenn der Wind von vorne weht? Wo kann ich trotz Krise und Frust noch Kräfte mobilisieren, und wo habe ich mich bisher schon durchgeschleppt und jetzt fällt es mir umso schwerer? Auch hier bringt mir die Krise Klarheit. Welche meiner Angebote stiften wirklich Mehrwert für meine Kunden, mit welchen Angeboten erreiche ich sie auch noch in den Zeiten, in denen sie selbst auf das Wesentliche schauen müssen? Der geschärfte Blick fällt nicht immer angenehm aus. Zeigt mir aber die Schwachstellen auf. Dabei gehören Adhoc-Maßnahmen und strategische Weichenstellungen zusammen
Die zwangsläufig gewonnene Klarheit nutzen
„Jetzt in der Krise müssen wir handeln, da ist keine Zeit für große Strategien!“ – genau das stimmt nicht. Denn das Herauskatapultieren aus der Komfortzone macht unseren Blick klarer, egal ob wir wollen oder nicht. Jetzt werden Entscheidungen möglich oder notwendig, die wir längst schon hätten treffen sollen, aber eben nicht unbedingt treffen mussten. Und wenn der strategische Rahmen, wenn die Richtung klar wird – sicher in vielen Bereichen auch bestätigt, dann ergeben sich auch die Adhoc-Maßnahmen. Dann wissen wir, was wir nicht beschädigen dürfen, was wir durchstehen müssen, weil es die Basis bilden wird für unseren Restart bzw. Neustart. Und wir wissen auch, welche alten Zöpfe wir abschneiden sollten und zwar lieber heute als morgen.
Der erste Schritt: Die schonungslose Bestandsaufnahme
Der erste Schritt kann also nur sein: genau hinschauen. Das braucht nicht lange, wenn man es strukturiert angeht. Wir kennen ja unser Geschäft. Dafür keine Zeit zu haben, gilt nicht als Ausrede. Es hilft natürlich, wenn wir das nicht alleine tun, wenn wir unterschiedliche Perspektiven mit einbringen, wenn wir mit Kollegen, mit Mitarbeitern diese Bestandsaufnahme angehen. Und wenn wir uns kritische Fragen stellen lassen. Der Blick von außen bringt zusätzliche Klarheit und hilft uns, nicht mehr passende Denkmuster zu überwinden.
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